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1 Milliarde Euro für 22 Stehplätze in der Tram?

Die Stadtverwaltung vermeldet voller Stolz, in den kommenden Jahren rund 1,1 Milliarden Euro in den Umbau der Leipziger Straßenbahninfrastruktur zu investieren, allerdings ohne einen einzigen Fahrgast zusätzlich oder öfter an den ÖPNV anzubinden. Notwendig werde das, um künftig 10 Zentimeter breitere Straßenbahnen anschaffen und nutzen zu können. In der entsprechenden Ratsvorlage wird dies mit einer Kapazitätssteigerung von angeblich 25 Prozent begründet. Bürgermeister Dienberg spricht davon, der „Point of no return“ sei längst überschritten.

Stadt informiert offenbar bewusst falsch

Und hier spielt die Stadt falsch. Die neuen, 45 Meter langen Züge sollen 92 Sitz- und 188 Stehplätze haben. Vergleichbar damit ist die derzeit genutzte und zur Fußball-WM angeschaffte Bombardier-Flexity-Tram (NGT12), die auf ebenfalls 45 Metern Länge 106 Sitz- und 160 Stehplätze bietet. Gegenüber diesen Zügen haben die zwar 22 Plätze mehr (+8 Prozent), aber sogar weniger Sitzplätze. Die 25-prozentige Steigerung lässt sich nur herleiten, wenn man die geplanten Züge mit der jüngsten, aber 9 Meter kürzeren Solaris-Tramino-Tram (NGT10) vergleicht.

Dazu sagt die verkehrspolitische Sprecherin der Leipziger FDP, Juliane Steinmüller: „Die Stadt verfälscht bewusst die Aussage. Tatsächlich ist der Grund für die angebliche Kapazitätsmehrung die Länge und nicht die Breite der Bahnen. Gegenüber gleich langen Bahnen steigt die Kapazität nur um etwa 8 Prozent. Das ist marginal. Dafür geben wir über hunderte Millionen Euro Steuergeld aus und graben die ganze Stadt um. So eine Investitionsentscheidung würde ein Unternehmer niemals treffen, zumal dadurch kein einziger potentieller Fahrgast zusätzlich oder besser an die Öffis angebunden wird.“

Der finanzpolitische Sprecher der Freien Demokraten, Robin Schaluschke, ergänzt: „Bei einer Milliarde Euro Ausgaben zu behaupten, man müsse das jetzt wegen einer Entscheidung aus den 90er Jahren umsetzen, und könne nicht mehr zurück, ist ja wohl ein Witz. Ausgerechnet Thomas Dienberg, den Ratsbeschlüsse sonst nicht kümmern, gibt das Geld der Steuerzahler hier ohne nennenswerten Mehrwert mit vollen Händen aus.“Die Verkehrswende wird mit dem Aufhübschen des Status Quo nicht gelingen. Das geht nur mit mehr Angebot in der Fläche. Die FDP fordert bereits seit längerem Investitionen in die Vergrößerung des Tramnetzes und die Zahl der Züge und Busse, um mehr Menschen in der Stadt überhaupt die Möglichkeit zu geben, den ÖPNV nutzen zu können, und die Taktungen zu verbessern. Zudem muss die Ringbusverbindung endlich auch alle äußeren Stadtteile in enger Taktung anbinden.

Übrigens: Dresden verbreitert seine Straßenbahnen auch, aber nicht um 10, sondern um 35 Zentimeter, damit es sich lohnt.